Projektrecherchen über das Römische Imperium und seine Nachbarn, Persönlichkeiten und Gesellschaft
Freitag, 21. Juni 2024
Thrasyllos, ein Gelehrter am Hofe des Tiberius
Man nannte ihn, einen Philosophen und Astrologen, Thrasyllos von Alexandria und es wird angenommen, dass jene Persönlichkeit der frühen Kaiserzeit auch von dort stammte. Er soll dem späteren Kaiser Tiberius begegnet sein, als sich dieser in seinem freiwilligen Exil auf Rhodos befand.
Er kehrte mit Tiberius nach Rom zurück und blieb ein enger Vertrauter von ihm, bis er im Jahr 36 starb – ein Jahr vor dem Tod des Kaisers. Tiberius verlieh ihm das römische Bürgerrecht. Thrasyllos war im Gefolge des Kaisers, als dieser nach Capri übersiedelte. Ein Turm, der zum Komplex der Villa Jovis gehörte, regt die Phantasie an: war darin ein Observatorium untergebracht, wo Thrasyllos, aber auch Tiberius selbst die Sterne beobachteten und daraus das Schicksal deuteten?
Was machte Thrasyllos eigentlich auf Rhodos? Wir wissen es nicht. Denkbar ist, dass er an der dortigen Universität – eine der bedeutendsten der Antike – lehrte. Und Tiberius ging während seines Aufenthaltes regelmäßig dorthin, um den Gelehrten zuzuhören. Somit ist es wahrscheinlich, dass sich die beiden Männer dort begegneten. Thrasyllos sagte voraus, dass ein Schiff mit einer guten Botschaft kommen würde – der Nachricht, dass Tiberius wieder in Rom willkommen war. Es gibt auch eine Anekdote, wonach Tiberius Thrasyllos auf die Probe stellte, indem er ihn nach seinem eigenen Schicksal fragte. Er soll nämlich Astrologen, die er für Betrüger hielt, heimlich getötet haben. Thrasyllos erschrak sehr, als er die ihm drohende Gefahr erkannte. Jedenfalls wuchs das Vertrauen des Tiberius in seinen gelehrten Freund, und das soll etwas heißen, denn er traute nur wenigen Menschen. Schließlich soll Thrasyllos auch Tag und Stunde seines eigenen Todes wahrheitsgemäß vorausgesagt haben.
Im Jahr 2 n.Chr. kehrten Tiberius und Thrasyllos nach Rom zurück. Von da an waren beide enge Vertraute von Kaiser Augustus. Sueton berichtet von einer Szene, in der die drei Männer zusammen bei Tisch lagen. Als Tiberius Kaiser war, blieb Thrasyllos sein Vertrauter und astrologischer Berater. Er soll den Kaiser auch in der Astrologie unterwiesen haben. Und sicher tauschten sie sich auch über andere geistige und wissenschaftliche Fragen aus. In der Antike trennte man Astrologie und Astronomie noch nicht. Thrasyllos war sehr viel mehr als ein Esoteriker, er war auch Philosoph und beschäftigte sich zudem mit Mathematik und Musik. Seine Zuneigung galt sowohl Platon, als auch den Pythagoreern. Die Pythagoreer sahen den Kosmos als eine nach Zahlenverhältnissen geordnete Harmonie an und jene Harmonie wirkte auch im Leben, in der Gesellschaft und sogar in der menschlichen Seele.
Ebenso wie die Platoniker gingen die Pythagoreer von der Unsterblichkeit der Seele und der Seelenwanderung aus. Sie lebten vegetarisch, da sie annahmen, dass auch Tiere eine Seele haben und den Menschen sehr ähneln. Thrasyllos setzte sich besonders mit den Werken Platons und Demokrits auseinander. Demokrit war für ihn Pythagoreer. Die Schriften des Thrasyllos sind nur fragmentarisch erhalten und werden von anderen Autoren erwähnt.
Thrasyllos veröffentlichte ein astrologisches Handbuch – wie wunderbar wäre es doch, wenn wir es noch hätten! – und eine Zahlenliste, die zur Orientierung in Alltagsfragen und Problemen diente, ähnlich der Wahrsagung. Dadurch genoss er in der Nachwelt hohen Respekt. Sein Sohn Tiberius Claudius Balbillus (mit der Bürgerrechtsverleihung trugen die Männer der Familie Vor- und Gentilnamen dessen, der die Freilassung verfügt hatte) war ebenfalls Philosoph und Astrologe. Er soll die Herrschaft Neros vorausgesagt haben. Nero ernannte ihn zum Präfekten von Ägypten. Balbillus oder sein Vater waren also in den Ritterstand aufgestiegen.
Thrasyllos soll zu Tiberius gesagt haben, Caligula werde niemals Kaiser werden, ebenso wenig, wie er über den Golf von Baiae reiten werde. Wie die Geschichte zeigte, unterschätzte er den jungen Mann, der sehr wohl Kaiser wurde und die Sache mit dem Golf von Baiae gelang ihm dann auch – in einem beeindruckenden oder eher Wahnsinns-Projekt.
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