Samstag, 28. August 2021

Tiberius - eine Einführung

Ich bin hier gleich ohne Einleitung mit einem extra langen Text eingefallen. Aber ich knüpfe daran an, was ich im Trajan-Blog über Tiberius geschrieben habe – die Texte sind unten verlinkt.

Tiberius war der zweite römische Kaiser, der Nachfolger des Kaisers Augustus, den man den wohl bedeutendsten Herrscher Roms nennen kann, und dessen Stiefsohn. Seine Mutter war Livia Drusilla. Tiberius war lange Zeit nicht für die Nachfolge vorgesehen. Zunächst war Agrippa, der engste Vertraute des Augustus, ein Mann aus dem Ritterstand, der Stellvertreter des Princeps. Große Hoffnungen setzte Augustus auch in Marcellus, den Sohn seiner Schwester Octavia. Doch Marcellus starb früh.

Augustus hatte eine Tochter aus früherer Ehe, Julia. Sie blieb sein einziges leibliches Kind und war mit Agrippa verheiratet. Beide hatten vier Kinder. Zwei Söhne, Gaius und Lucius, wurden, als sie das entsprechende Alter erreicht hatten, durch Ehrungen und Aufgaben auf Höheres vorbereitet. Augustus war sehr stolz auf seine Enkel und hielt die Nachfolge für gut gesichert. Agrippa hatte auch eine Tochter aus früherer Ehe, Vipsania Agrippina – nicht zu verwechseln mit Agrippina, der Gattin des Germanicus, und deren Tochter, Mutter des Kaisers Nero.

Vipsania war die erste Frau des Tiberius. Die beiden waren wahrscheinlich schon als Kinder miteinander verlobt worden, wie das üblich war in der römischen Aristokratie. Diese Ehe war glücklich. Tiberius und Vipsania hatten einen Sohn Drusus. Von weiteren Kindern ist nichts bekannt. Auch der jüngere Bruder des Tiberius hieß Drusus. Es heißt, Augustus zog Drusus Tiberius vor, und es gab Gerüchte, dass dieser sein leiblicher Sohn sei: Augustus hatte Livia ihrem Gatten ausgespannt, als sie schwanger war. Drusus wurde drei Monate nach der Hochzeit geboren. Doch auch dieser hoffnungsvolle Mann starb früh, in Folge eines Sturzes vom Pferd. Wäre dieser tragische Fall nicht eingetreten, hätte Augustus womöglich Drusus auch in der Nachfolgefrage bevorzugt.

Dennoch war Tiberius eine wichtige Stütze des Kaisers: er war gewissenhaft, loyal, gründlich, besonnen und in militärischen Einsätzen geradezu aufopfernd. Man kann sagen, dass er als wichtige Stütze der Monarchie am richtigen Platz war. Aber es kam zu zwei tragischen Todesfällen: auch Gaius und Lucius, die Enkel des Augustus, starben jung. Nun war von allen Männern, die aus dynastischen Gründen für die Nachfolge in Frage kamen, nur noch Tiberius übrig. Sein Neffe Germanicus, Sohn seines Bruders Drusus, war noch zu jung. Augustus adoptierte Tiberius, und dieser musste Germanicus adoptieren, um die Dynastie erneut zu stabilisieren.

Als Agrippa starb, musste Julia wieder standesgemäß verheiratet werden. Als Gatte kam zu jenem Zeitpunkt nur noch Tiberius in Frage, denn jeder Mann an dieser Stelle hätte ein gefährlicher Mitbewerber um die Macht sein können. Es gab keine Alternative zu dem, was folgte: Tiberius musste Vipsania verstoßen und Julia heiraten. Ich werde mich diesem Thema noch detailliert widmen.

Als Tiberius auf der Höhe seiner zivilen und militärischen Laufbahn stand, erlitt das römische Imperium unter Varus eine katastrophale Niederlage gegen die Germanen. An diesen Kämpften war Tiberius nicht beteiligt: er führte Krieg in Pannonien und war erfolgreich. Auch an der Unterwerfung der Alpenvölker und war Tiberius beteiligt gewesen.

Als Augustus starb und Tiberius die Herrschaft übernahm, war er bereits 55 Jahre alt. Wenn man den Quellen Glauben schenkt, zögerte er und hätte den Senat gern stärker an der Verantwortung beteiligt. Er dachte auch mehrmals über Rücktritt nach. Ich bin überzeugt davon, er wäre lieber einer der ersten Männer des Imperiums gewesen als Kaiser. Er brauchte Pausen und den Rückzug ins Private. Aber er war pflichtbewusst und übte sein Amt bis zuletzt aus.

In die Regierungszeit des Tiberius fällt die Verurteilung und Kreuzigung von Jesus Christus. Doch der Kaiser wird davon kaum etwas mitbekommen haben. Verantwortlich war Pilatus, der Statthalter von Judäa. Dass aus den Christen, die damals nichts weiter als eine (noch) unbedeutende jüdische Sekte waren, einmal eine Weltreligion werden sollte, ahnte noch niemand – vermutlich nicht einmal Jesus selbst.

Der Rückzug des Kaisers nach Capri, der Sturz des Prätorianerpräfekten Seian – all das sind große Themenkomplexe, denen ich mich ein andermal ausführlich widmen werde. Neben Tacitus und Sueton zählt auch Cassius Dio zu den Quellen, der jedoch erst im dritten Jahrhundert lebte. Ich meine, am Lesen der Quellen kommt niemand vorbei, der ernsthaft in ein Thema eindringen möchte. Es gibt zwei empfehlenswerte moderne Tiberius-Biografien:

Holger Sonnabend: „Tiberius, Kaiser ohne Volk“, Zabern-Verlag, ISBN 978-3-8053-5258-1

Zvi Yavetz: „Tiberius, der traurige Kaiser“, dtv, ISBN-10 ‏ : ‎ 3423308338

Neben den Romanen von Iris Kammerer um die Varusschlacht („Der Tribun, Die Schwerter des Tiberius, Wolf und Adler“) kann ich den autobiografischen Roman „Ich, Tiberius“ von Allan Massie empfehlen. Der Autor gehört zu denen, die Tiberius rehabilitieren möchten. Er lässt den Kaiser aus seinem Leben erzählen, als handelte es sich um dessen echte Autobiografie. (Tiberius hat wirklich eine Autobiografie geschrieben, die nicht überliefert ist.) Mir gefällt dieser Versuch, den Kaiser aus einer anderen Perspektive zu schildern, als es die Überlieferung getan hat. Mir ist die Geschichte allerdings etwas zu positiv geraten. Aber: ein Romanautor hat die Freiheit, die Ereignisse aus seiner Sicht zu interpretieren.

Mein eigenes Projekt soll, so mein Plan, nicht annähernd so umfangreich wie der Trajan-Roman werden. Ich habe vor, einige Episoden aus dem Leben des Tiberius aufzugreifen und anderes in Dialogen sowie Rückblenden zu erwähnen. Aber erst einmal gilt meine Aufmerksamkeit der Vorbereitung und Recherche.

Weiterführende Links:

Tiberius: sein Werdegang bis zur Alleinherrschaft

Kaiser Tiberius

Tiberius: Tyrann oder tragische Gestalt?

Die Familie des Germanicus

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