Sonntag, 31. Oktober 2021

Tiberius als Feldherr - eine Einführung

Kaiser Augustus führte Kriege nicht selbst, wenn er auch mitunter an Kriegsschauplätzen anwesend war. Die unmittelbare Armeeführung war nicht seine Stärke und er war klug genug, seine Heerführer agieren zu lassen. Neben Agrippa, seinem engsten Mitarbeiter, wurden vor allem seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius mit militärischen Aufgaben betraut.

Drusus verstarb relativ jung während eines Feldzuges nach Innergermanien. Von diesem Zeitpunkt an musste Tiberius mehrere außenpolitische Krisen lösen. Dies tat er bis zu seinem Regierungsantritt. Von da an sah er seinen Platz in Rom, bis er sich nach Capri zurückzog.

Der Militärhistoriker Marcus Junkelmann nannte Tiberius einen der größten Feldherren der römischen Geschichte: „Die Legionen des Augustus, S. 83“.

Die Annalen des Tacitus beginnen mit dem Ende des Augustus und dem Übergang der Macht auf Tiberius. Sueton jedoch spannte den Bogen weiter und erzählt von Tiberius als Truppenführer, ehe er Kaiser wurde.

Drusus und Tiberius unterwarfen in den Jahren 15-13 v.Chr. die Alpenvölker. In den Jahren 12-9 v. Chr. leitete Tiberius die Unterwerfung Pannoniens, das ungefähr dem heutigen Westungarn entspricht. Als Drusus 9 v. Chr. starb, eilte Tiberius nach Germanien, überführte den Leichnam seines Bruders nach Rom und führte dessen Feldzug zu Ende. Auf der Höhe seiner Laufbahn jedoch zog er sich ins zunächst freiwillige Exil nach Rhodos zurück.

Als Augustus Tiberius die Rückkehr nach Rom gestattete, hatte jener zunächst keine politische Funktion. Erst nach dem Tod der Enkel und Adoptivsöhne des Kaisers wurde Tiberius adoptiert. Im gleichen Jahr führte er Krieg in Germanien, besiegte Stämme, andere unterwarfen sich. Nur Marbod, der König der Markomannen, war noch unbesiegt. Tiberius zog im Frühjahr 6 v.Chr. gegen die Markomannen, musste den Feldzug jedoch wegen eines Aufstandes in Pannonien abbrechen. Zuvor hatte er sich noch mit Marbod verbündet. Dann forderte der Krieg in Pannonien und Illyrien (6-9 n.Chr.) seine ganze Aufmerksamkeit. Sueton nennt diesen Krieg den schwersten seit der punischen Kriege. Tiberius gelang es innerhalb von drei Jahren, das Gebiet vollständig zu unterwerfen. Sein Erfolg wurde von der Katastrophe der Varus-Niederlage in Germanien überschattet. Er selbst verschob angesichts der Trauer seinen Triumph, hielt aber in einer golddurchwirkten Purpurtoga Einzug in der Stadt, wo er von Augustus, den Konsuln und dem Senat empfangen wurde. Anschließend begrüßte er das Volk und wurde in einer Prozession zu mehreren Tempeln geleitet, wahrscheinlich, um dort zu opfern. (Sueton, Tiberius, 16-17).

Im folgenden Jahr wurde Tiberius nach Germanien gesandt, wo er sich vorsichtig und bedachtsam verhielt: „… da er die Überzeugung gewann, dass die Niederlage des Varus durch die Unbedachtsamkeit und Nachlässigkeit des Feldherrn herbeigeführt worden sei, so unternahm er nichts ohne Zuziehung eines Kriegsrates. Er, der sonst stets nach alleinigem Gutdünken handelte und sich selbst vollkommen genügte, beriet damals mit mehreren den Plan des Feldzuges. Auch übte er in allen Stücken verschärfte Aufsicht und Vorsorge. Bei seinem Rheinübergang ließ er den gesamten Wagentross, den er auf ein bestimmtes Maß eingeschränkt hatte, nicht eher über die Brücke gehen, bis er selbst, am Ufer stehend, die Ladungen der Wagen genau untersucht hatte … Nach dem Übergange über den Rhein richtete er seine Lebensweise so ein, dass er auf dem bloßen Rasen sitzend seine Speise zu sich nahm, oft ohne Zelt übernachtete und die Ordern für den folgenden Tag und wenn irgend ein plötzlicher Auftrag zu erteilen war schriftlich gab, wobei er die Mahnung hinzufügte, dass jeder, der über irgendetwas im Zweifel sei, sich an ihn und keinen anderen, und zwar selbst zu jeder beliebigen Stunde der Nacht, um Auskunft wenden sollte. (Sueton, Tiberius, 18). Weiterhin verschärfte Tiberius die Kriegszucht, führte alte Strafen wieder ein und bestrafte sogar einen Legionslegaten (General) nach einem Vergehen streng. Sueton berichtet aber auch vom Aberglauben des Feldherrn: wenn ihm nachts bei der Arbeit das Licht erlosch, war das für ihn ein Vorzeichen zum Angriff. Es passt heute, meine ich, schwerlich zum Bild des rationalen und illusionslosen Kommandanten, dass er seine militärischen Handlungen nach sogenannten Vorzeichen ausrichtete, aber das, was wir heute Aberglauben nennen, nannte man damals Religion. Am Ende des Feldzugs wäre Tiberius beinahe Opfer eines Attentats geworden – ein Brukterer (Angehöriger eines germanischen Stammes) hatte sich in seine Umgebung gemischt, fiel aber auf und gestand unter Folter.

Als Tiberius aus Germanien nach Rom zurückkehrte, feierte er mit seinen Offizieren einen Triumph. Bevor er aber den Wagen zum Kapitol lenkte, stieg er herab, beugte er sein Knie vor Augustus, der an der Spitze des Senates stand. Das Volk wurde öffentlich in einem großen Gastmahl verpflegt und erhielt ein Geldgeschenk von je dreihundert Sesterzen pro Bürger. Von der Kriegsbeute weihte Tiberius den Tempel der Concordia und den des Castor und Pollux. (Sueton, Tiberius, 18-20). Ein glanzvoller Höhepunkt in der politischen Laufbahn jenes Mannes, der öfter zurückgesetzt wurde und manchmal Pech hatte!

Literatur:

Suetons Kaiserbiographien, Langscheidtsche Bibliothek, Band 106, 1914

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