Freitag, 4. Februar 2022

Die Villa Jovis auf Capri

Capri wird gelegentlich als „Lieblingsinsel“ des Kaisers Tiberius bezeichnet. Auf jeden Fall war sie, so schrieb Sueton, Lieblingsinsel des Kaisers Augustus. Er erwarb sie von der Stadt Neapel im Austausch gegen die Insel Ischia und ließ dort, so die Quellen, zwölf Villen erbauen, die Tiberius nach dem Tod des Augustus „in Augenschein und in Besitz nahm“. Zweifellos hat Tiberius die Insel und die darauf befindlichen Bauten schon während früherer Besuche kennengelernt. Noch kurz vor seinem Tod, er kränkelte bereits, hielt sich Augustus vier Tage lang auf Capri auf, genoss dort die Mußestunden und sah den jungen Männern (Epheben) bei ihren sportlichen Übungen zu. Während dieses Aufenthaltes lagen Augustus, Tiberius und Thrasyllos, der Astrologe des Tiberius, plaudernd bei einem Gastmahl beisammen (Sueton, Augustus).

Wann mag in dem Kaiser Tiberius der Plan gereift sein, sich nach Capri zurückzuziehen? Möglicherweise schon während seines Aufenthaltes in Kampanien (21-22 n.Chr.) oder bald danach. Vielleicht kam ihm damals die Idee, sich auf dem heutigen Monte Tiberio einen Palast zu errichten, der den Zweck einer Herrscherresidenz erfüllte. Der Palast des Tiberius auf dem Palatin in Rom war relativ einfach und bescheiden. Natürlich besaß er Landgüter in Italien und man kann sogar vermuten, auch darüber hinaus, so auf Rhodos, wo er sich acht Jahre lang aufhielt.

Die Villa Jovis, von der angenommen wird, dass sie der Regierungssitz des Tiberius auf Capri war, ist ein sehr bemerkenswerter Bau, der sich im Stil von den Palästen anderer Kaiser unterschied. Ähnlichkeit hatte er am ehesten mit hellenistischen Palästen bzw. griechischen Peristylhäusern. Ein von Säulen begrenzter rechteckiger Innenof (Peristyl), in dem sich meist ein Wasserbecken und ein kleiner Garten befanden, wurde von den Räumen bzw. Gebäudeteilen des Hauses umschlossen. So auch die Villa Jovis. Im Peristyl wurde das Wasser von den Dächern der umliegenden Gebäude aufgefangen – ganz wichtig auf einer Insel wie Capri, wo es kaum Trinkwasser gab – und in die darunter befindlichen Zisternen geleitet. Vier Zisternen waren es, die insgesamt 8.000 Kubikmeter Wasser aufnahmen. Rings um diesen Kern war das Gebäude errichtet. Bis zu acht Stockwerke waren terrassenförmig in den Fels hinein gebaut worden. An der Nordseite werden die Privatgemächer des Kaisers vermutet. Es gab außerdem Empfangsräume und Speiseräume, eine Küche, Bäder mit allem Komfort römischer Thermen, Gästezimmer und Unterkünfte für Soldaten wie Bedienstete. Gäste, Personal und Soldaten bzw. Offiziere waren sicher auch in den anderen Bauten auf Capri untergebracht. Das Gefolge eines römischen Kaisers wird auf mehrere tausend Personen geschätzt, und selbst wenn Tiberius einen bescheidenen Haushalt geführt haben soll und sich mit ein oder zwei Ausnahmen nicht von Senatoren nach Capri begleiten ließ, ist seine „Bescheidenheit“ relativ zu sehen. Er, damals schon ein alter, kahlköpfiger und gebückt gehender Mann, wird die Höhenunterschiede auf der Insel nicht zu Fuß überwunden haben. Er benötigte Diener für seinen Alltag, seine administrativen Aufgaben und nicht zuletzt für Freizeit und Luxus. Da er um sein Leben fürchtete, war er auch von Soldaten, den Prätorianern, umgeben. Sein Präfekt und Vertrauter Seian hat sich zeitweise ebenfalls auf Capri aufgehalten.

Die Villa Jovis war ein in sich relativ geschlossenes Gebäude. Vom turmartigen Treppenhaus erreichte man über ein Viadukt einen Signalturm. Das Gegenüber auf dem Festland, wo die Signale empfangen wurden, befand sich auf dem Kap von Sorrent, der die Signale nach Misenum weiterleitete. Von dort aus konnten berittene Eilboten die Nachrichten nach Rom bringen. Außerdem gab es einen Leuchtturm bei Sorrent (Promontorium Minervae) und am Fuß der Insel Capri. Eine Wandelhalle nördlich der Villa Jovis führte vielleicht zu einem weiteren Leuchtturm in unmittelbarer Nähe des Palastes. Man kann sich darin mit etwas Phantasie ein Observatorium des Astrologen Thrasyllos vorstellen, aber auch Mannschaftsräume für die Palastwachen.

Die Villa Jovis war ein imposanter Palast, der in die natürlichen Gegebenheiten des Ortes perfekt integriert war. Sie zeugt vom Können des Architekten, der höchstwahrscheinlich aus Griechenland stammte, vielleicht aus Rhodos. Spürbar ist auch die Stilsicherheit des Auftraggebers. Der Gesamteindruck war der einer Zitadelle mit Freizeitbereichen, von würdevoller Schlichtheit und funktionaler Schönheit. Ein Speisesaal öffnete sich halbkreisförmig und bot einen Weitblick über den Golf von Neapel und den Golf von Salerno. Man sah Terracina, Misenum, Neapel, Herculaneum, den Vesuv, Sorrent und Paestum. Von der Villa Tiberius in Dresden aus erblickt man die Elbe, das Elbufer und Dresden. Beides hat seinen Reiz. Zeichnungen der Villa Jovis möchte ich erst anfertigen, wenn ich sie hoffentlich in diesem Jahr auf Capri gesehen habe.

Literatur:

Clemens Krause: „Villa Jovis. Die Residenz des Tiberius auf Capri“, Zabern-Verlag Mainz, 2003, ISBN 3-8053-3091-X

Suetons Kaiserbiographien, Langscheidtsche Bibliothek, Band 106, 1914

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