Projektrecherchen über das Römische Imperium und seine Nachbarn, Persönlichkeiten und Gesellschaft
Mittwoch, 16. November 2022
Tiberius und die antike Stadt Lindos
Der Ort Lindos gehört zu den touristischen Attraktionen der Insel Rhodos. Über dem idyllischen Dorf, das als das schönste der Insel gilt, erhebt sich eindrucksvoll die Akropolis mit ihren Ruinen. Sie war für die Bewohner der antiken Stadt religiöses Zentrum und Zufluchtsort bei Angriffen.
Lindos wurde im 11. Jahrhundert v.Chr. von dorischen Griechen gegründet. Es wird aber angenommen, dass schon vorher mykenische Griechen und sogar Minoer an diesem Ort siedelten. Wahrscheinlich war Lindos ein Zentrum des Austausches mit den Phönizieren. Zusammen mit Kamiros, dessen beeindruckende Ruinen zugänglich sind, und Ialyssos war Lindos eine der bedeutendsten älteren Städte der Insel Rhodos. Die zunächst konkurrierenden Städte schlossen einen Bund und gründeten 408 v. Chr. Rhodos Stadt, welches noch heute Hauptort der Insel ist.
Die Lage der Stadt Lindos war schon in der Antike ideal zum Siedeln: sie hat zwei natürliche Hafenbecken. Das eine, größere ist noch heute der Hafen, wo die meisten Ausflugsboote anlegen. Der Strand gleich neben dem Anleger ist geschützt und ideal für Familien geeignet. Weiter südlich befindet sich, ebenso geschützt durch Felsen, die sogenannte Apostel-Paulus Bucht. Dort soll der Apostel Paulus an Land gegangen sein, als er die Insel besuchte, was dafür spricht, dass Lindos auch zu Zeiten, wo Rhodos-Stadt längst als Hauptort und Haupthafen etabliert war, seine Bedeutung hatte.
Auf der Akropolis von Lindos befand sich ein Votivbogen für den Kaiser Tiberius, der im Zeitraum 17-19 n. Chr. geweiht wurde. Dieser Bogen, wo sich Statuen des Augustus, des Germanicus, des Tiberius und seines Sohnes Drusus befanden, war dem Tiberius zu Ehren errichtet worden, der als Förderer und Patron der Stadt galt. Es ist anzunehmen, dass der Bogen errichtet wurde, ehe Germanicus, der Adoptivsohn des Tiberius, starb. Leider starb einige Jahre später auch Drusus, der leibliche Sohn des Kaisers.
Tiberius hatte sich, als er noch nicht Kaiser war, für acht Jahre nach Rhodos zurückgezogen. Er muss sich in Rhodos-Stadt oder in der Nähe aufgehalten haben, denn es ist belegt, dass er an der damals bedeutenden Universität Vorträge hörte und regelmäßig im Gymnasion spazieren ging. Die Vorstellung, dass er sich zumindest zeitweise auch in Lindos aufgehalten hat, ist verlockend, aber keine zwingende Voraussetzung für Beziehungen zwischen der Stadt und Tiberius. Vielmehr können ihn Gesandte aus Lindos in Rhodos-Stadt besucht haben. Doch zumindest ein Gegenbesuch des Tiberius ist durchaus wahrscheinlich, zumal ihm die historische Bedeutung der Stadt sicher bekannt war.
Warum soll Tiberius die Insel, auf der er lebte, nicht auch erkundet haben – vielleicht mit dem Schiff? Dass die Einwohner von Lindos ihn mit einem Bauwerk ehrten (das seiner Genehmigung bedurfte), spricht jedenfalls für ein gutes Verhältnis, das gewiss während seines Aufenthaltes auf Rhodos seinen Anfang nahm.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen