Samstag, 4. Februar 2023

Hestia - Vesta, die Göttin des Herdes

Hestia, die Göttin des Herdes, war die älteste der zwölf olympischen Gottheiten. Sie war demnach die große Schwester von Zeus, die älteste Tochter der Titanen Kronos und Rhea. Sie wurde als erste von ihrem Vater verschlungen und als letzte wieder befreit.

Man fragt sich nun, was am Herd so bedeutend ist, dass es dafür eine Haupt-Göttin braucht. Heute ist der Herd ja nur eines unter vielen elektrischen Geräten – neben Grill, Spülmaschine, Mikrowelle, Staubsauger, Küchenmaschine. In der Antike war das ein wenig anders. Der häusliche Herd war, mal abgesehen von den Villen der Reichen, der wichtigste Ort des Hauses, Wärmequelle und, neben der Essenszubereitung, die ja früher weitaus existentieller war als heute, auch kultischer Mittelpunkt des Hauses. Am häuslichen Herd konnte man Asyl finden, und man konnte beim Herd schwören. Hestia war auch Göttin des Opferfeuers und des Staatsherdes. Sie war eine Art Über-Mutter der Familie und auch des Gemeinwesens. Heiligtümer der Hestia befanden sich in der Regel unmittelbar im Ratsgebäude der jeweiligen Stadt.

Der Göttin Hestia wurde noch vor Zeus geopfert, ihr gebührte immer das erste Opfer. Und sie war in jede Opferhandlung für andere Götter mit inbegriffen, so dass über Kultstätten ihr zu Ehren wenig bekannt ist.

Hestia war, ebenso wie Artemis und Athene, eine jungfräuliche Göttin. Sie war aus eigenem Willen keusch und deswegen war ihr auch diese ehrenvolle Position durch Zeus zugewiesen worden. Die Götter Apollon und Poseidon sollen vergeblich um sie geworben haben. Der lüsterne Gott Priapos wollte sich ihr nähern, als sie schlief, aber sie wurde durch den Schrei eines Esels geweckt.

Die Göttin wurde sitzend oder ruhend mit ernstem Gesichtsausdruck dargestellt. Sie wurde öfter zusammen mit Hera, aber auch zusammen mit Hermes kultisch verehrt. Vor jedem Mahl wurde der Hestia ein Weinopfer dargebracht.

Bei den Römern entsprach die Göttin Vesta der Hestia. Es ist nicht bekannt, ob die römische, ihrem Ursprung nach sabinische Gottheit von Hestia abgeleitet wurde, oder ob es gar ein gemeinsames Vor-Bild in einer älteren Kultur gab.

Die Göttin Vesta war im alten Rom eine bedeutende Staatsgöttin. Ihr Tempel befand sich auf dem Forum Romanum, wo heute noch Überreste davon existieren. In diesem Tempel brannte ein ewiges heiliges Feuer, das der Sage nach von Aeneas aus Troja nach Latium gebracht worden war. Die Priesterinnen der Vesta, sechs an der Zahl, hüteten dieses Feuer. Sie hatten eine privilegierte Stellung innerhalb der römischen Gesellschaft. Sie lebten im Haus der Vestalinnen neben dem Tempel.

Eine Priesterin der Vesta wurde im Alter von sechs bis zehn Jahren ausgewählt, und zwar vom Kollegium der Pontifices, einem Priesterkollegium. Der höchste Priester, Pontifex maximus, war deren Vorsitzender und somit der „Chef“ der Vestalinnen. Es gab aber auch die ranghöchste Vestalin. In der Kaiserzeit war der Kaiser auch Pontifex maximus.

Man kann nicht davon ausgehen, dass Mädchen Vestalinnen werden wollten. Sie wurden normalerweise von ihren Familien vorgeschlagen. Eine künftige Priesterin der Vesta durfte keine Behinderung und keinen Sprachfehler haben. Ihre Eltern durften keine Sklaven oder Freigelassenen sein, und durften keine „schmutzigen“ Gewerbe ausüben. Damit waren handwerkliche Tätigkeiten und Kleingewerbe gemeint, aber wahrscheinlich auch das, was wir unter unehrenhaftem Gewerbe verstehen würden. Meist stammten die Kandidatinnen aus senatorischen Familien. Familien wurden aber auch befreit, wenn bereits eine Tochter Vestalin war, wenn der Vater Priester war, wenn der Vater außerhalb Italiens lebte oder drei Kinder hatte. Familien mit drei Kindern genossen zahlreiche Vorteile.

Die Dienstzeit einer Vestalin dauerte 30 Jahre lang. In den ersten zehn Jahren war sie Schülerin, danach diente sie der Göttin, und in den letzten zehn Jahren widmete sie sich der Ausbildung der nachfolgenden Schülerinnen.

Die Priesterinnen mussten sich in erster Linie darum kümmern, dass das heilige Feuer im Tempel nicht erlosch. Es galt als Zeichen politischer Stabilität. In Krisenzeiten gerieten Vestalinnen leichter in den Verdacht, unkeusch zu sein, und wurden hart bestraft, wenn man sie für schuldig befand, und zwar durch Hinrichtung oder im schlimmsten Falle durch Lebendig begraben. War die allgemeine Stimmung im Staat schlecht, wurde härter bestraft. In guten Zeiten wurden Vestalinnen eher frei gesprochen. Außerdem mussten die Vestalinnen täglich das Wasser zur Reinigung des Tempels aus der Quelle der Nymphe Egeria (ebenfalls ein seit früher Zeit ein heiliger Ort) holen. Die Quelle befand sich außerhalb der Stadtmauer. Daran änderte sich auch nichts, als Rom längst über genügend Aquädukte verfügte.

Nach dem Ablauf der dreißigjährigen Dienstzeit durfte die Vestalin ein „normales bürgerliches“ Leben führen oder sogar heiraten. Doch in der Regel änderten die Frauen ihren keuschen Lebensstil nicht mehr.

Die Priesterinnen waren hoch geachtet und genossen Privilegien. Mit dem Ausscheiden aus der Familie und der Vormundschaft durch Vater oder Großvater waren sie frei (d.h. im Alter von sechs bis zehn Jahren so gut wie volljährig und geschäftsfähig), hatten komplette Verfügungsgewalt über ihr Vermögen und waren somit einem Mann beinahe gleich gestellt. Sie schieden aus der gesetzlichen Erbfolge aus, konnten aber in Testamenten als Erbin eingesetzt werden und auch selbst testamentarisch vererben. Hinterließ eine Vestalin kein Testament, fiel ihr Vermögen an den Staat. Die Priesterinnen konnten sehr vermögend sein. Sie durften ihre familiären Bindungen weiter pflegen und konnten sich auf Grund ihrer Stellung auch für Verwandte einsetzen, die in Schwierigkeiten steckten. Den vestalischen Jungfrauen wurden besondere Fähigkeiten zugeschrieben; es hieß, sie konnten Wunder tun. In der Öffentlichkeit wurde eine Vestalin – wie die hohen Beamten – von einem Liktor begleitet. Sie durfte im Theater, Circus Maximus oder Amphitheater auf den Sitzen der Senatoren Platz nehmen. Sie durfte zwar keine Verurteilten begnadigen, aber begegnete ein Verurteilter auf dem Weg zur Hinrichtung zufällig (das war wichtig) einer Vestalin, wurde er begnadigt. Ob die Vestalinnen eine Art Tracht – ähnlich der Nonnen oder Diakonissen – hatten, ist nicht bekannt. Sie trugen eine Stola, ein gewöhnliches Frauengewand, aber ob es sich in irgendeiner Weise von dem einer Matrone unterschied, ist unbekannt. Darstellungen zeigen die Priesterinnen mit einer Art Schleier über dem Kopf, was allerdings auch von männlichen Priestern bekannt ist.

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