Freitag, 24. März 2023

Erste Bewährungsprobe für Seian

Im Jahr 14 v.Chr. kam es zu Aufständen der Truppen in Germanien und in Pannonien. Tiberius musste schnell handeln. Er reiste nicht etwa selbst an einen der Brennpunkte, denn dann hätte er den anderen vernachlässigen müssen. Somit war es diplomatisch klug und wahrscheinlich auch die einzig richtige Lösung, seine beiden Söhne zu schicken.

Germanicus, Neffe und Adoptivsohn des Tiberius, erhielt den Auftrag, in Germanien für Ordnung zu sorgen. Germanicus war im Stab des Tiberius schon dort gewesen, hatte Erfahrungen an der Front sammeln können und war somit der Geeignete. Die Truppen wollten sogar ihn zum Kaiser ausrufen. Drusus, der leibliche Sohn des Tiberius, wurde nach Pannonien entsandt.

Tiberius hatte selbst einen harten und letztlich erfolgreichen Krieg in Pannonien für Augustus geführt und somit zu den Truppen dort ein besonders enges Verhältnis. Er schickte ihnen seinen leiblichen Sohn, sein einziges Kind. Drusus war knapp 30 und somit durchaus in dem Alter, wo man mit einem solchen Auftrag betraut werden konnte. Doch Tiberius stellte ihm neben den Prätorianern auch Seian, den einen der beiden Präfekten, zur Seite. Seian war damals schätzungsweise 40 Jahre alt, gehörte zum engsten Kreis der Macht in Rom und genoss das absolute Vertrauen des Kaisers, war nicht nur dessen Helfer und Beschützer, sondern auch sein Freund.

Drusus griff hart durch und ließ die Rädelsführer hinrichten. War das in Wirklichkeit Seians Entscheidung? Etwas Anderes als eine harte Politik konnte in dieser Sache wahrscheinlich nicht geführt werden – ein Aufstand der Truppen war unmittelbar gegen den Kaiser und damit den Bestand des Imperiums gerichtet.

Tiberius wird nach Erledigung dieser Mission sicher dankbar gegenüber seinem Prätorianerpräfekten gewesen sein. Und Seian, der ehrgeizig war, wusste, dass seine Zeit gekommen war. Ob Seian Tiberius wirklich in seine Abhängigkeit gebracht hat und ob er die dunklen Seiten des Kaisers kannte (die dieser ja angeblich so geschickt verbarg), ist reine Spekulation. Fakt ist, dass der Präfekt ein ebenso treuer Helfer für Tiberius wurde wie einst Agrippa für Augustus.

Laut Tacitus soll Seian, während Germanicus mit seiner Gattin Agrippina in Germanien beschäftigt war, gegen eben diese Agrippina intrigiert haben, so dass Tiberius gegen sie eingenommen wurde. Ihr Vergehen bestand darin, dass sie es schaffte, die aufständischen Soldaten zu beschämen. Auf Grund ihrer mentalen Stärke soll Tiberius sie gefürchtet haben. Aber das ist alles sehr unwahrscheinlich. Seian war zu dieser Zeit mit seiner Mission in Pannonien beschäftigt, die keinesfalls scheitern durfte.

Nun, nachdem ihm Tiberius zu Recht noch mehr vertraute, versuchte Seian, in familiäre Beziehung zur kaiserlichen Familie zu treten. Das Vorhaben war sogar erfolgreich. Seine Tochter, zu diesem Zeitpunkt sicher noch ein Kind, wurde mit dem Sohn des späteren Kaisers Claudius verlobt. Leider starb dieser nur wenige Tage nach der Verlobung.

Als Seians Vater Seius Strabo Präfekt von Ägypten wurde, war Seian alleiniger Kommandant der Prätorianergarde. Er vollzog eine wichtige Veränderung und ließ die Prätorianer, die bisher außerhalb von Rom stationiert waren, in ein Kastell in der Stadt zu einer Garnison zusammenfassen. Er konnte dafür organisatorische und praktische Gründe anführen, aber die Bündelung der Truppen bedeutete die Verbesserung der Sicherheit des Kaisers – und Zentralisierung der Macht des Gardepräfekten.

Literatur:

Meinhard-Wilhelm Schulz: Seianus und Tiberius, Der Romankiosk, Winthirstr. 11, München

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen