Projektrecherchen über das Römische Imperium und seine Nachbarn, Persönlichkeiten und Gesellschaft
Samstag, 29. April 2023
Drusus der Jüngere
Nero Claudius Drusus, der Sohn des Tiberius, wurde ca. 15 v.Chr. geboren und starb im Jahr 23, wurde also nur ca. 37 Jahre alt. Er war einziger Sohn des Kaisers aus dessen erster Ehe mit Vipsania Agrippina. Der zweite Sohn aus der Ehe mit Julia lebte nicht lange.
Beim Anblick seines Porträts meine ich, eine gewisse Ähnlichkeit mit Drusus dem Älteren zu erkennen. Von seinem Charakter ist wenig bekannt. Tiberius förderte die militärische und politische Karriere seines Sohnes. Tacitus musste natürlich wieder Zivilisationskritik üben und gab an, dem Kaiser wäre die Lebensweise seines Sohnes zu locker und deswegen müsse er im Feldlager geläutert werden. Das sagt mehr über den Autor aus als über Drusus. Man kann aber berücksichtigen, dass Tiberius selbst ein erfolgreicher Offizier und Feldherr war und für seine Sohn eine ähnliche Laufbahn vorsah.
Auf Beschluss des Augustus musste Tiberius seinen Neffen Germanicus adoptieren und somit seinen eigenen Sohn zurücksetzen. Das mag ihm schwer gefallen sein. Doch Tiberius erkannte zeitlebens Augustus als höhere Autorität und als Vorbild an und wollte auch in seinem Sinne regieren, als er selbst Kaiser war. Somit übernahm er selbstverständlich dessen Modell der Nachfolge. Die Erfolge und vor allem die Beliebtheit des Germanicus in der Öffentlichkeit müssen ihm schmerzlich bewusst gemacht haben, welche Eigenschaften ihm selbst fehlten. Es gelang ihm nicht, die Herzen der Menschen zu gewinnen. Aber es ist völlig ausgeschlossen, dass er den Mord an Germanicus befahl, wie damals spekuliert wurde. Germanicus starb in Syrien an einer Krankheit. Weder sein Konkurrent Piso, noch der Kaiser oder seine Mutter Livia hatten damit etwas zu tun. Von persönlichen Animositäten ließ sich Tiberius nicht leiten, wenn es um das Wohl der Dynastie ging. .
Nach dem Tod des Germanicus war Drusus offizieller Nachfolger des Tiberius. Die Feinde des Tiberius waren darüber wohl nicht erfreut, doch der Kaiser war stolz auf seinen Sohn. Drusus war mit Livilla verheiratet, die zuvor Gattin des verstorbenen Gaius Caesar (Enkel des Augustus) gewesen war. Sie hatten eine Tochter Livia Julia. Später wurden die Zwillinge Tiberius und Germanicus Gemellus geboren, worüber Tiberius sehr erfreut war. Tacitus musste diese Freude mit einer zerknirschten Bemerkung kommentieren. Es sah so aus, als ob die Nachfolge nun über zwei Generationen gesichert war.
Drusus und der Prätorianerpräfekt Seian waren wohl keine guten Freunde. Drusus soll den Aufstieg des Präfekten zur rechten Hand des Kaisers misstrauisch beobachtet haben. Einmal, bei einer Auseinandersetzung, kam es zu Handgreiflichkeiten und Drusus schlug Seian. Und wenn man davon ausgeht, dass Seian selbst Kaiser werden wollte – was nicht sicher ist, muss man Drusus zwangsläufig als Karrierehindernis für den Präfekten ansehen. Doch solange Tiberius herrschte, mussten sich die beiden miteinander arragieren.
Nach Tacitus kam es zu einer Affäre des Seian mit Livilla, der Gattin des Drusus. Er hatte sich zuvor von seiner Gattin Apicata scheiden lassen und versprach Livilla die Macht an seiner Seite, nachdem er Drusus und auch Tiberius ausgeschaltet hatte. Das alles ist natürlich spekulativ. Drusus wurde langsam vergiftet. Daran war auch sein Arzt beteiligt. Die Fakten sprechen aber dafür, dass Drusus eines natürlichen Todes starb, er war zuvor krank gewesen. Und Seian konnte Livilla nicht heiraten, Tiberius verweigerte ihm diesen Wunsch.
Die Ungeheuerlichkeit der Anschuldigungen wird bewusst, wenn man das Risiko bedenkt, dem sich Seian aussetzte, wenn er den Tod des Thronfolgers plante. Auch der angebliche Staatsstreich, den er gegen den Kaiser geplant haben soll, ist keinesfalls bewiesen. Außerdem kümmerte sich Drusus auch väterlich um die Kinder des Germanicus und der Agrippina. Vieles spricht dafür, dass Seian nach seiner Hinrichtung zusätzlich belastet wurde. Was auch damals geschah, wird nie restlos aufgeklärt werden.
Tragisch war, dass nach Drusus auch dessen Sohn Germanicus Gemellus starb. Tiberius Gemellus, der zweite der Zwillinge, war noch zu jung, um Thronfolger zu werden. Tiberius förderte nun wieder die Söhne des Germanicus als Nachfolgekandidaten und Tiberius Gemellus rückte in die zweite Reihe.
Tiberius hat seinen Sohn und seinen Enkel sicher betrauert, doch nicht in der Öffentlichkeit. Da ging er schnell zur Tagesordnung über. Theatralische Gesten lagen ihm nicht und vermutlich war für ihn die Arbeit auch Krisenbewältigung. Aber das kam bei den Menschen nicht gut an, und Tacitus konnte sich zu der Bemerkung versteigen, Tiberius hätte Drusus keine väterliche Liebe entgegen gebracht. Einmal mehr entfremdete sich der Kaiser dem Senat und seinem Volk.
Literatur:
Holger Sonnabend: Tiberius, Kaiser ohne Volk, Zabern-Verlag, 2021, <
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