Projektrecherchen über das Römische Imperium und seine Nachbarn, Persönlichkeiten und Gesellschaft
Freitag, 12. Mai 2023
Nero Caesar, der tragische Thronfolger
Dieser Text handelt nicht vom berühmt-berüchtigten Kaiser Nero, sondern von einem seiner Vorfahren. Nero, was so viel wie stark und mutig bedeutete, war ein häufiger Beiname in der Julisch-Claudischen Dynastie und stammte von den Claudiern. Auch Kaiser Tiberius trug, bevor er die Titulatur von Caesar und Augustus annahm, diesen Beinamen.
Nero Caesar war der älteste Sohn des Germanicus und seiner Gattin Agrippina der Älteren. Das Paar hatte neun Kinder, was ein Segen für die Dynastie war. Nicht alle sind namentlich bekannt, wahrscheinlich starben einige von ihnen früh. Nero war der älteste Sohn, es folgte ein Drusus, außerdem gab es die Schwestern Agrippina die Jüngere (Mutter des Kaisers Nero und Gattin des Kaisers Claudius), Drusilla und Livilla und den jüngeren Sohn Gaius Caesar Germanicus, den späteren Kaiser Caligula.
Man muss daran denken, dass Nero der Ältere auch Enkel des Drusus, Bruder des Tiberius, war. Sein Bildnis zeigt einen jungen Mann mit ernstem Gesichtsausdruck, vollem Haar (das kennzeichnete die Männer aus der Familie der Claudier) und einem kurzen, nicht sehr ausgeprägten, lockigen Bart. Dieser hoffnungsvolle Adelsspross wurde im Jahr 6 geboren. Sein Vater Germanicus war sehr beliebt Die Enkelsöhne des Augustus waren viel zu jung verstorben, und Germanicus wäre im Fall des Falles wahrscheinlich Nachfolger des Kaisers geworden. Tiberius befand sich damals im freiwilligen Exil aus Rhodos; erst nach dem Tod des Gaius Caesar kehrte er zurück und musste sich das Vertrauen des Kaisers wieder verdienen. Dann verfügte Augustus, Tiberius solle Germanicus adoptieren. Somit war Tiberius der unmittelbare Thronerbe und Platzhalter für Germanicus, da dieser noch zu jung und unerfahren war. Tiberius fügte sich der Regelung des Augustus und förderte Germanicus wie einen Sohn. Er musste dafür seinen eigenen Sohn Drusus zurücksetzen. Nach den nicht immer erfolgreichen militärischen Operationen des Germanicus in Germanien wurde ihm ein Triumph bewilligt. Bei diesem Triumph zog auch Nero mit seinen Geschwistern auf einem Triumphwagen in die Stadt ein. Germanicus war Thronfolger der Herzen und den Anblick seiner Kinder auf dem Triumphwagen stelle ich mir ähnlich vor wie die Auftritte der jüngsten Angehörigen neuzeitlicher Monarchen in der Öffentlichkeit.
Zu dieser Förderung des Germanicus gehörte eine politisch-diplomatische Mission: er wurde in den Osten des Reiches entsandt. Unglücklicherweise erkrankte er dort und starb im Alter von 34 Jahren. Die Trauer im Reich war groß. Nero, sein Bruder Drusus und die beiden Schwestern waren in Rom geblieben, nur der jüngste Sohn Gaius war mit den Eltern gereist. Agrippina überführte die sterblichen Überreste ihres Gatten zurück nach Italien. Eine Delegation aus Rom, der auch Nero angehörte, kam dem Trauerzug bis nach Terracina entgegen. Gerüchte kamen auf, Germanicus sei im Auftrag von Tiberius und Livia vergiftet worden, und Tiberius hätte Germanicus wegen seiner Beliebtheit aus Rom entfernt, was aber völliger Unsinn ist. Diplomatische Missionen an den Brennpunkten des Imperiums waren Bestandteil einer senatorischen Karriere, besonders in Vorbereitung auf das höchste Amt.
Tiberius war Kaiser und nach dem Tod des Germanicus war sein Sohn Drusus dessen Nachfolger. Drusus kümmerte sich auch väterlich um die Kinder des Germanicus. Im Jahr 20, im Alter von 14 Jahren, erhielt Nero die Männertoga, war somit volljährig und trat öffentlich in Erscheinung. Er durfte sich vor dem Mindestalter um die Quästur, das erste senatorische Amt, bewerben. Natürlich wurde seiner Bewerbung entsprochen, und er übernahm das Amt im Alter von 20 Jahren, fünf Jahre vor dem Regelalter. Außerdem übernahm er mehrere Priesterämter. Seine Verlobte, eine Iunia, starb jung. Er wurde mit Julia Livia, der Tochter des Drusus und der Livilla, verheiratet. Im Jahr 23, nach dem Tod des Drusus, adoptiere Tiberius Nero und dessen Bruder, den jüngeren Drusus. Tacitus beschrieb rührend, wie der Kaiser mit den beiden Prinzen im Senat erschien und sie der Obhut der ehrwürdigen Väter empfahl, da sie ja nun (nach dem Tod des Drusus) ohne Vater seien. Damit waren beide offiziell zu Thronerben ernannt, wobei Nero als Älterer den Vorrang hatte. Er hielt die Totenrede für Drusus.
Doch bald soll Tiberius über die Ehrungen des Senats für die beiden jungen Männer verärgert gewesen sein. Das Verhältnis zwischen Tiberius und Agrippina verschlechterte sich. Vielleicht war Agrippina unvorsichtig geworden, möglicherweise mischte auch Seian im Hintergrund mit. Es muss ihm gelungen sein, den Kaiser davon zu überzeugen, dass Agrippina und auch Nero den Umsturz planten. Tiberius hatte sich nach Capri zurückgezogen und in Rom war Seian quasi sein Stellvertreter. Seian soll zunächst die Umgebung des Nero, unter anderem seine Frau und auch seinen Bruder Drusus gegen ihn eingenommen haben. Ungeschickte Äußerungen und auch angeblich im Schlaf Gesprochenes wurden Tiberius übermittelt. Zunächst gelang es Livia, der Gattin des Augustus, die damals noch lebte, zu verhindern, dass es zur Eskalation kam. Agrippina und Nero wurden im Jahr 27 unter Hausarrest gestellt. Doch nach Livias Tod zwei Jahre später wurden beide im Senat verurteilt. Ihnen wurde Empörung gegen Kaiser und Staat vorgeworfen, Nero zusätzlich sexuelle Perversion (er galt als homosexuell). Letzteres war in der römischen Aristokratie aber nicht selten. Tiberius, der nur wenigen Menschen vertraute, vertraute seinem Seian zu sehr. Als verantwortungsvoller Regent hätte er nie nach Capri gehen dürfen.
Agrippina und Nero wurden auf verschiedene Inseln verbannt, Nero auf die Insel Pontia (Ponza). Dort starb er im Jahr 30, im Alter von 24 Jahren. Entweder verhungerte er, oder er starb durch Suizid, zu dem er möglicherweise gezwungen wurde. Auch sein Bruder Drusus kam unter furchtbaren Umständen ums Leben. Gaius, der spätere Kaiser Caligula, hatte das Glück, damals noch zu jung zu sein, um in die Intrigen hineingezogen zu werden. Tiberius fühlte sich auch in der Abgeschiedenheit auf Capri nicht sicher. Was aus seiner Familie geworden war, konnte ihn nur zur Verzweiflung bringen. Doch er – und nicht Seian – hatte letztlich die Todesurteile zu verantworten.
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